Pfaffnau Ob Mutz, Zunftkleidung oder Musikuniform: Das Atelier Büttiker rückte Vereine ins rechte Licht. Nach 69 Jahren schreibt das Familienunternehmen nun sein letztes Kapitel. Mit viel Wehmut schliesst der Bekleidungshersteller Ende Dezember seine Türen.

von Stefan Bossart

Das Glöcklein über der Ladentüre. Seinen Ton kennen sowohl Blasmusiker als auch Jodlerinnen und Jodler, Trachtenleute oder Zünftler. Im Atelier Büttiker mitten in Pfaffnau wurde an ihnen Mass genommen, sie von Kopf bis Fuss eingekleidet. Hier ratterten die Näh- und Stickmaschinen. Beispielsweise 22 000 Mal, um auf dem Revers des Mutzes ein Edelweiss entstehen zu lassen. Schweizer Qualität, Kreativität gepaart mit Tradition und viel Liebe zum Detail – dies hat sich das Familienunternehmen Büttiker seit seiner Gründung 1953 auf die Fahne geschrieben und in den letzten 69 Jahren Spuren hinterlassen. Von den Hergiswiler «Enzian»-Jodlern bis zu den Schaffhauser Trachtenleuten, von der MG Gstaad bis zu ihren Musikkollegen im Bündnerischen Vals:  Rund 550 Vereine tragen die Bekleidung aus dem Hause Büttiker mit Stolz. Unikate, angepasst auf Frau und Mann. Abgeändert, wenn ein Wechsel im Verein stattfand. Aufgefrischt, wenn an einem eidgenössischen ein Knopf verloren ging oder vor dem Auftritt am Jahreskonzert eine Naht zu sprengen drohte. Von der Beratung bis hin zur genähten Uniform oder Tracht wurde auch dem «Nachservice» grosse Beachtung geschenkt.

Corona und eine niederschmetternde Diagnose

Die Textilbranche in der Schweiz – sie hat seit Jahren zu kämpfen. Von den in den 60er-Jahren über 40 grossen Bekleidungsherstellern in der Schweiz hielt sich keine Handvoll am Markt. Das Atelier Büttiker blieb eine Bastion, gehörte zu den letzten zwei namhaften vor Ort produzierenden Uniformherstellern im Land. «Die Geschäfte um uns herum verschwinden, werden Opfer von Importen aus dem nahen, aber meist fernen Ausland», sagte Rita Büttiker anlässlich des 60-Jahr-Jubiläums. Neun Jahre später trifft es nun auch die von ihr und ihrem Mann Markus geführte Manufaktur und deren 12 Angestellten. Der Grund liegt aber nicht nur in Billiglohnländern in Fernost. Hart, sehr hart waren die letzten beiden Jahre. Corona lähmte das kulturelle Leben. Keine Auftritte, kaum Aufträge: «Viele Neuuniformierungen wurden verschoben oder infolge der ausbleibenden Vereinseinnahmen und Sponsorings gar abgesagt», sagt Rita Büttiker. Die Produktion musste zu Beginn der Pandemie nie ganz schliessen, der drastische Verkaufs- und Umsatzrückgang zeigte sich erst im Verlauf der zweiten Welle, dafür nachhaltig. Wie viele andere Betriebe im Textilmarkt blieben daher auch bei Büttikers die Härtefallgelder aus. Ernsthaft Sorgen um ihren Betrieb machte sich Markus Büttiker jedoch nach einer niederschmetternden Krebsdiagnose vor einem Jahr. Der Geschäftsführer musste sich einer schweren Operation und längerer Chemotherapie unterziehen. Schnell war klar. Wie bislang geht es nicht weiter. «Ich war Geschäftsmann mit Leib und Seele und scheute auch keine 7 Tage Wochen. Ein Effort, den meine Gesundheit nun nicht mehr zulässt», sagt Markus Büttiker. Der Versuch, eine eigenständige Nachfolgelösung am Standort zu finden, scheiterte. Zu unsicher waren für die angegangenen Personen die Aussichten im Textilmarkt, um in dieses Metier einzusteigen. Kaum vorhanden jene Leute, die das nötige Know how in ihrem Rucksack tragen. «Letztlich sind wir froh, mit unserem einstigen Mitbewerber, der Schuler Uniformen AG, einen gemeinsamen Weg gehen zu können», sagt Rita Büttiker. Unter dem Namen «Manufaktur 6418» und der Gesamtleitung von Stefan Steiner werden die beiden bisher autonom geführten Produktionsbetriebe auf Januar 2022 am Standort Rothenthurm zusammengeführt. So soll Vereinen und Behörden auch in Zukunft eine breite und hochstehende Dienstleistungspalette  zur Verfügung stehen. «Stefan Steiner setzt als einziger grosser Hersteller weiter auf den Produktionsstandort Schweiz. Wir hoffen, dass sein Mut und sein Engagement von den Vereinen honoriert wird und wünschen ihm nur das Beste», sagt Rita Büttiker. Steiner trage dazu bei, dass die inländische Kleiderherstellung und das Know how nicht ganz verschwinde, Arbeitsplätze erhalten blieben. Wie dünn diese in der Textilbranche geworden sind, zeigt sich für die verbliebenen 12 Voll- und Teilzeitangestellten der Firma Büttiker. «Unsere langjährigen Näherinnen sind Spitzenklasse. Doch viele von ihnen müssen sich wohl neu orientieren und in  anderen Berufen Fuss fassen», sagt Rita Büttiker. Nicht zuletzt, weil sie und ihre Familien in der Region verankert sind und einen Wechsel nach Rothenthurm für sie ausser Frage steht.

Abschied mit Wehmut

Abstecken, zuschneiden, nähen. Abändern und anpassen. Noch bis Weihnachten  liefert das Büttiker-Team die letzten Kundenwünsche in Pfaffnau  aus.   «Wir freuen uns darauf, die einen oder anderen Wegbegleiter in den kommenden Wochen noch bedienen und von ihnen persönlich Abschied nehmen zu dürfen», sagt Rita Büttiker, die wie ihr Mann mit «grosser Wehmut» der Schliessung entgegenblickt. «Wir hatten tolle Mitarbeiter, eine tolle Kundschaft mit bereichernden Begegnungen. Ihnen allen sind wir zu grossem Dank verpflichtet», sagen die beiden.

Das Glöcklein über der Ladentüre wird im neuen Jahr stumm bleiben. Ganz anders all jene Musikanten, Jodler und Trachtenleute, die in ihren edlen Kreationen «made in Pfaffnau» hoffentlich wieder vermehrt auftreten können. Solange die Gesundheit mitspielt, hie und da bei einem «ihrer Vereine» im Publikum sitzen und sich über das Dargebotene erfreuen – dies haben sich Rita und Markus Büttiker fest vorgenommen. Mit Sicherheit können sie dabei konstatieren: Was gut klingt, sieht auch gut aus.